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Honigbienen: Blütenkontakt kann für Insekten tödlich sein
Honigbienen: Blütenkontakt kann für Insekten tödlich sein
Das verbreitete Sterben ganzer Bienenkolonien gibt Forschern Rätsel auf. Bei Honigbienen haben Biologen nun ein Virus nachgewiesen, das die Tiere schwächen könnte – es tritt normalerweise bei Pflanzen auf.
Beltsville – Ein Pflanzenvirus trägt offenbar zum Bienensterben bei. Forscher aus den USA und China haben bei Honigbienen das Tobacco Ringspot Virus (TRSV) nachgewiesen. Weitere Untersuchungen zeigten, dass stark infizierte Bienenvölker eher sterben. Offenbar fördert auch die Varroamilbe die Verbreitung des Virus, ohne selbst zu erkranken, schreiben die Forscher um Ji Lian Li von der Chinesischen Akademie für Landwirtschaft in Peking in der Zeitschrift „mBio„.
Die Honigbiene (Apis mellifera) ist an der Bestäubung vonweltweit mehr als 90 Feldfrüchten beteiligt. Seit Jahren rätseln Forscher über ein massives Sterben ganzer Bienenvölker, von dem erstmals 2006 berichtet wurde. Studien zufolge tragen dazu verschiedene Krankheitserreger und Parasiten bei, darunter neben der Varroamilbe (Varroa mites) auch viele Viren wie etwa IAPV (Israeli Acute Paralysis Virus), ABPC (Acute Bee Paralysis Virus) oder DWBV (Deformed Wing Bee Virus).
Varroamilben übertragen Virus vermutlich im Bienenstock
Bei einem Routinescreening von Bienen stießen Forscher nun auf das Virus TRSV, das eigentlich Pflanzen befällt und durch Bestäubung verbreitet wird. Dabei kann der Erreger aber offenbar auf den Bestäuber selbst überspringen. „Die Resultate unserer Studie zeigen erstmals, dass Honigbienen durch Kontakt mit kontaminierten Pollen infiziert werden können, und dass die Infektion sich in ihrem Körper weit ausbreiten kann“, wird Li in einer Mittelung der Zeitschrift zitiert. Zudem fanden die Forscher, dass infizierte Königinnen infizierte Eier legten.
Das Virus fanden die Forscher auch in Varroamilben, allerdings hier nur in einem Teil des Verdauungstraktes. Daher vermuten sie, dass die Parasiten das Virus im Bienenstock zwar übertragen, selbst aber nicht erkranken.
Bei geschwächten Bienenkolonien stießen die Forscher besonders oft auf Infektionen mit TRSV und anderen Viren. Solche Völker hatten schon im Spätherbst Probleme und starben bis Februar ab. In Kombination mit anderen Viren sei TRSV wahrscheinlich ein beitragender Faktor zum Bienensterben, schreiben die Wissenschaftler.
Ein gefährlicher Mix
Erst kürzlich hatte eine Studie ergeben, dass Bienen in Industrieländern einem Cocktail von Pestiziden ausgesetzt sind – und dass nicht nur Insektizide, sondern auch Pilzvernichtungsmittel die Insekten schwächen können.
Auch dies könnte ein Grund für das seit Jahren in Europa und Nordamerika grassierende Bienensterben sein. Neben Pestiziden werden auch die genannten Krankheitserreger, Klimaveränderungen und fehlende Pflanzenvielfalt dafür verantwortlich gemacht – wahrscheinlich beruht das Phänomen auf einer Kombination dieser Faktoren.
Wenn Bienen leiden Schädlinge, Krankheiten und Pestizide.
Berlin/Köln – Beißenden Rauch verströmen die Imker auf dem Kölner Messegelände. Den Qualm, der aus kleinen Metallbehältern kommt, nutzen sie normalerweise, um Bienenvölker zu beruhigen, heute soll er die Aktionäre von Bayer aufstacheln. In ihren weißen Schutzanzügen protestieren die Imker bei der Hauptversammlung des Pharma- und Chemiekonzerns gegen den Einsatz von Pestiziden. ,„Bayer tötet Bienen“ steht auf den Transparenten und: „Stoppen Sie Neonicotinoide-Pestizide, retten Sie die Bienen!“
Die Demonstranten sind überzeugt, dass diese Pflanzenschutzmittel, die größtenteils von Bayer hergestellt werden, mit schuld sind am Bienensterben.
Neonics stören das Sammelverhalten der Honigbienen“, sagt Imkermeister Christoph Koch. Zudem schwächten die Mittel das Immunsystem der Tiere, warnt Roland Netter, ein Imker aus dem Donautal. So komme es verstärkt zu viralen und bakteriellen Erkrankungen, die die Bienenvölker töteten. Bayer bestreitet das.
Dass die Bienen sterben, ist jedoch keine Erfindung radikaler Naturschützer, sondern eine Tatsache. In den vergangenen Jahren ist die Bienenpopulation in Europa um zehn bis 30 Prozent zurückgegangen, in den USA um 30 Prozent und im Nahen Osten sogar um 85 Prozent, haben die Experten von Unep, dem Umweltprogramm der Vereinten Nationen, herausgefunden. Auch in Deutschland haben weniger Bienen den letzten Winter überlebt als den Jahreswechsel 2010/2011. Bei den professionellen Imkern lagen die Verluste bei 14,6 Prozent (2010: 10,6 Prozent), die Hobbyimker – und das ist die überwiegende Mehrzahl – verloren bundesweit sogar 21,5 Prozent ihrer Völker, weiß man im Bundesagrarministerium. In Berlin, wo besonders viele Amateure am Werk sind, mussten die Imker im vergangenen Winter sogar bis zu 30 Prozent ihrer Tiere abschreiben, sagt der Chef des Berliner Imkerverbands, Jürgen Hans.
Für die hohen Sterbezahlen gibt es nach Meinung des Deutschen Imkerbunds (DIB) viele Ursachen. „Normal wären Überwinterungsverluste von zehn Prozent“, sagt DIB-Sprecherin Petra Friedrich. „Doch Schädlinge und Krankheiten, aber auch Klimaveränderungen und Pflanzenschutzmittel bedrohen die Bienen.“ Zudem verlören die Tiere durch die vielen Monokulturen in der Landwirtschaft zunehmend ihre Nahrungsgrundlage.
Hauptfeindin der deutschen Imker und ihrer Tiere ist aber die Varroa-Milbe. Die Milbenweibchen stechen die kleinen Bienenmaden an und saugen deren Lymphe aus. Viele sterben sofort. Andere überleben zwar, infizieren sich aber mit Keimen und verenden später. „Hobbyimker sind bei der Behandlung oft zu nachlässig“, ärgert sich Jürgen Hans vom Berliner Imkerverband. Das erklärt auch die höheren Ausfälle bei ihren Völkern. „Eine erfolgreiche und zeitgerechte Behandlung der Bienenvölker gegen den Befall mit der Varroa-Milbe minimiert die Gefahr des Zusammenbruchs der Völker erheblich“, betont auch eine Sprecherin des Bundesagrarministeriums.
Doch nicht nur die Milbe, auch die Pestizide bedrohen die Tiere. Obwohl die Bienen mit den Neonicotinoiden nicht direkt in Berührung kommen. Statt die Mittel zu versprühen, beizen die Landwirte das Saatgut, um Schädlinge fernzuhalten. So verteilt sich das Nervengift in der ganzen Pflanze, in Pollen und Nektar aber sollen nur noch geringe Konzentrationen ankommen. Doch wie gefährlich die Mittel sein können, zeigt der Tod von Tausenden Bienenvölkern 2008 in Süddeutschland – Folge eines Unfalls bei der Aussaat von Maissamen, die mit dem Bayer-Pestizid Poncho behandelt waren. Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) zog daraufhin die Zulassung der Pestizide zur Beize von Mais und Raps zurück. Heute ist die Anwendung bei Raps wieder erlaubt, für Mais gibt es immer wieder Ausnahmegenehmigungen. „Wir fordern ein vollständiges Verbot für alle Neonicotinoide“, sagt DIB-Sprecherin Friedrich. Hersteller Bayer, der im Jahr mehrere hundert Millionen Euro Umsatz mit diesen Mitteln macht, verweist dagegen darauf, dass es „vielschichtige Gründe“ für das Bienensterben gebe. „Die Hypothese, dass Saatgutbeizungen dazugehören, wird durch eine Reihe an wissenschaftlichen Untersuchungen widerlegt“, betonte Konzernchef Marijn Dekkers auf der Hauptversammlung im April.
Für Honigliebhaber sind das alles keine guten Nachrichten. Und es kommt noch schlimmer: „Nachdem sich Honig im Vergleich zu anderen süßen Brotaufstrichen bereits in den vergangenen zwei Jahren dramatisch verteuert hat, rechnen wir damit, dass sich diese Entwicklung in der nächsten Zeit noch fortsetzen wird“, heißt es bei Deutschlands größtem Honighersteller Langnese. Neben Bienensterben, Klimaveränderungen und Umweltproblemen macht den Honigproduzenten auch die Gentechnik Probleme. Seitdem der Europäische Gerichtshof verfügt hat, dass Honig aus genveränderten Blütenpollen nicht verkehrsfähig ist, müssen die Hersteller den Rohstoff noch gründlicher analysieren als bisher. Länder wie Kanada, die bei der Gentechnik großzügiger sind als die EU, scheiden nun als Lieferanten aus.
Jahberg H., Mielke J.(2012):“Wenn Bienen leiden“.In:Der Tagesspiegel.Stand 17.06.2012.http://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/wenn-bienen-leiden-schaedlinge-krankheiten-und-pestizide-/6760886.html